Wenn der postmann sich dreimal irrt ...

Mythen und Missverständnisse der Postgeschichte

[...]Das Phellertea („Postwesen“) des modernen Arvelien nimmt nicht nur mit seiner langläufigen Bezeichnung sondern auch mit dem Bezug des staatlichen Postdienstleisters „Phellertes Samacharei Pata“ (P-S-P, „Läufer auf dem Königsweg“) und ihrem Symbol des Läufers mit Schriftrolle Bezug auf die verbreitete Vorstellung, im klassischen Arrovelosianischen Reich hätten Staffelläufer die Nachrichten transportiert. Verbreitet, aber falsch! Erstens: ein Postsystem im eigentlichen Sinne gab es damals gar nicht, höchstens unregelmäßig wurden wichtige Nachrichten von Boten über die Königswege verbreitet, doch diese waren in der Regel beritten. Zweitens: viel häufiger wurden wichtige Botschaften der königlichen Verwaltung jedoch schon damals magisch übermittelt. Drittens: Die Post der normalen Bürger, selbst der Wohlhabenden und Adligen war davon gar nicht betroffen.

 

Woher kommen sie also, die heute so prominenten „Läufer auf dem Königsweg“? „Wenn's dem König wichtig ist, spricht der Äther nach Sekunden; wenn's seinen Mannen wichtig ist, bringt's der Reiter binnen Stunden; doch wenn's nur dir wichtig ist, oder mir, so bringt's der Läufer auf dem Königswege binnen Wochen“, klagt der klassische Gelehrte Nyrsinas von Miravandis auf die Nachricht vom Tod seines Sohnes, die ihn aus Nexos – wohl mit gehöriger Verspätung – erreichte.

Im Mittelalter muss dieser Brief wiederentdeckt und aufgegriffen worden sein, denn hier beginnt der Mythos von den Staffelläufern – die vor allem aufgrund der Dämonisierung der Magie – sogar mancherorts installiert werden.

 

Nur, wenn es keine klassischen Staffelläufer gab, wen meinte Nyrsinas dann? Im klassischen Arrovelosia gab man Nachrichten meist Fernhändlern oder Reisenden mit, die sich durch diese Dienste eine kleines Zubrot verdienten; nur sehr Wohlhabende leisteten sich den Luxus von Botendiensten, die zuverlässig und regelmäßig ohnehin nur in kleineren Bereichen aktiv waren, und einen Sklaven schickte man nur selten mit einer Nachricht in die Ferne. Mit seinen „Läufern“ meint Nyrsinas sehr wahrscheinlich also nicht mehr als einen Wanderer, der aus anderen Gründen den Weg von Nexos hinauf nach Miravandis nahm und sich für die Mitnahme und Übergabe der Todesnachricht wohl unterwegs ein paar Biere erlauben konnte.

 

Wenn die P-S-P also wieder einmal mit Zuverlässigkeit und Schnelligkeit ihre Dienste bewirbt, dürfen Sie, im Gedenken an Nyrsinas, durchaus schmunzeln – aber ganz unrecht hat die P-S-P dennoch nicht. Denn ihre Zuverlässigkeit hat Tradition. Als in der Renaissance wieder magische Übermittlung von Botschaften erlaubt war, hatten diese noch lange Zeit den Nachteil, dass Worte oder ganze Botschaften im Anderdunkel verschwanden, während die mittelalterlichen Staffeln ihre Läufer über ein ausgebautes Netzwerk bewegen und Nachrichten zügig und zuverlässig verbreiten konnten, zumal die Läufer zunehmend durch Reiter ersetzt wurden.

 

Später, als mit der magischen Revolution die magische Nachrichtenübermittlung auch für die einfachsten Bürger erschwinglich wurde, galten die „Läufer“ als „vertrauenswürdiger“, denn es hielt sich noch lange der Irrglaube, magisch übermittelte Botschaften würden von den Bewohnern des Anderdunkels immer und in jedem Fall mitgehört.[...]