Rede des Tainas vor dem Senat (23.8.1978) [Auszug]

Mirnas Tainas ist ein Abgeordneter der Arvelischen Arbeiterpartei, gelernter Tischler

 

[...]

In unserer heutigen Gesellschaft haben wir uns, dem Gesetz nach, von der Biologie befreit: Wer Mann und wer Frau ist, bestimmt nicht der Körper, sondern entscheidet der Geist – und die Möglichkeiten der medizinischen Magie können den Körper sogar nach dem Geist formen. Dennoch gibt es immer noch das alte Problem: In unseren Köpfen hält sich die Vorstellung, dass bestimmte Berufe nur von Männern oder nur von Frauen ausgeübt werden können. Diese Vorstellungen haben ihre Wurzeln in unserer Vergangenheit, die von anderen Konzepten und Vorstellungen geprägt wurde und der letztlich auch nicht die Möglichkeiten offenstanden, die wir haben.

 

Bei den Arbaren des Altertums gab es, bei sonst weitgehender Gleichberechtigung, vor allem Priesterschaften, die rein männlich oder rein weiblich waren. Besonders stechen hier die sogenannten „Feuerhüterinnen“ hervor, die Priesterinnen Elder Muders, welche das Monopol auf die Entzündung von Feuern hatten und so unabdingbar zur Entzündung der Herd- und Schmiedefeuer waren. Diese Macht über das Feuer machte diese Frauen zu wichtigen Mitgliedern der Gesellschaft und ihr Status bereitete auch der Asiranisierung der Arbaren während der Klassik und dem Mittelalter große Probleme, waren die Hüter des Purpurfeuers von Tertemes und ihre geistigen Nachkommen, die Hohepriester des Asiranas doch ausschließlich Männer. Die „asiranisierten Feuerhüterinnen“, die als Gehilfinnen der Priester für das Entzünden auch der heiligen Tempelfeuer zuständig waren und ein rein arbarisches Phänomen waren, waren so ein erster Riss, der später zur Trennung der arbischen und echyrischen Kyrakeia führen sollte und der Grundstein für die heutigen Priesterinnen der arbischen Kyrakeia.

Warum die Arbaren nur Frauen die Macht über das Feuer zubilligten, war mythologisch begründet, standen sie der Feuergöttin doch aufgrund des gleichen Geschlechts näher. Die Hüter des Purpurfeuers von Tertemes hingegen waren auch aus mythologischer Begründung Männer, hatte Asiranas doch nur Männer als seine Gefährten erwählt und ihnen Aufgaben übertragen.

Das hier Frauen, dort aber Männer den göttlichen Auftrag über das Feuer erhielten, zeigt uns, dass derartige Erklärungen wohl erst später erfolgten, wohl um eine lokale Besonderheit zu erklären, deren Ursprünge wir heute nicht mehr fassen können.

 

Dass solche „mythologischen Konzepte“ nicht erst in unserer Zeit infrage gestellt wurden, zeigt auch die Geschichte des Klassischen Drunum Iderusum. Im Altertum waren es nur adlige Frauen, die das „Raigurium“ besaßen, die angeborene Eigenschaft mit den Göttern zu sprechen und ihren Willen zu deuten; und aus diesem Raigurium leiteten sie ihre politische Macht ab. Bei den antiken Iderusen war der „Beruf“ der Politikerin eindeutig weiblich und das wurde lange nicht beanstandet – zumindest nicht so laut, dass es auf uns gekommen wäre. In der Klassik strebten aber auch die Männer nach politischem Einfluss und konnten schließlich das Raigurium auch für sich beanspruchen, denn man sah keinen Grund mehr, warum eine Mutter diese „Gabe“ an ihre Töchter, nicht aber ihre Söhne weitergeben konnte.

 

Doch das bringt uns auf eine andere Eigenart des Altertums, die uns heute verwunderlich erscheint: Die meisten „grundlegenden“ Handwerke waren die Domäne der Frauen. Ein männlicher Bäcker oder Tischler wäre nicht nur für den antiken Echyren abstrus gewesen, sondern gleichsam für den antiken Phanecher. Beinahe in allen Gesellschaften, in denen die Herrschaft von Männern ausgeübt wurde, waren die lebensnotwendigen Handwerke und Berufe weiblich. Es waren die echyrischen Bäuerinnen, denen das Land gehörte und die die Aufsicht über den Betrieb hatten; es waren phanechische Fischerinnen, welche die Städte Kaphtenus versorgten und ja, sogar im von Frauen beherrschten Iderusa waren es Hirtinnen, welche die Schafsherden beaufsichtigten.

 

Die Domäne der Männer war hingegen fast der Krieg und die Jagd, mit der zunehmenden Verstädterung währen Spätantike und Klassik auch die „Luxusberufe“ des Schneiders, Schreibers oder Kunsthandwerkers. Nur an wenigen Orten in der langen Geschichte finden wir Gesellschaften in denen es nur Kriegerinnen gab, wie etwa bei den frühantiken Eneathen, und oft ist das Militär bis in die späte Klassik hinein rein männlich. Selbst bei den Arbaren.

 

Es scheint, als hätten die Menschen aus der prähistorischen Zeit die Auffassung mitgebracht, dass die Frauen für den Aufbau und den Erhalt der Gesellschaft zuständig und notwendig seien, während die Männer zunächst nur für die gefährlichen Aufgaben der Jagd und Krieges taugten; vielleicht hängt damit auch zusammen, dass aus der Frühzeit vor allem Frauen in opulenten Gräbern bestattet wurden. Galten Männer vielleicht als entbehrlich?

 

Warum später in manchen Gesellschaften die Männer die Oberhand errangen, in anderen die Frauen – die Geschichtswissenschaft spricht hier von der „anachrestardischen Dichotomie“ zwischen dem Agokyrea und dem Pyrikyrea – kann mit Sicherheit nicht leicht beantwortet werden; jedoch mag die Machtübernahme der Männer hier damit zusammenhängen, dass sie einfach genügend Freizeit hatten, während dort die Frauen die Macht übernahmen, weil sie diese de facto schon längst besaßen und als Bäuerinnen oder Hirtinnen die Erfahrung in der Lenkungen von „Betrieben“ hatten.

 

Obwohl all diese Entwicklungen in den vergangenen Jahrhunderten der Geschichte bereits erfolgten und sich immer weiter zu einer „Gleichgültigkeit“ hinweg entwickelt haben: Wir glauben noch heute, dass die Bäckerin ein besseres Brot backt, wenn auch eher unbewusst. Ich glaube, wir schenken diesen subtilen Vorurteilen zu wenig Betrachtung. Wir lehren unseren Kindern die Gleichberechtigung und dass Geschlecht keine Rolle spielt, doch unbewusst und unterschwellig führen wir das Erbe unserer Vorväter und -mütter fort und demonstrieren, vielleicht nicht durch Worte, aber durch Taten, Mimiken und nonverbale Ausdrücke, dass Handwerk weiblich ist, das Soldaten oder Sportler männlich sind, dass eine Metzgerin richtig, aber einer Schneiderin falsch ist.

 

Gesetze und Vorschriften bringen hier nichts und deshalb halte ich die Rufe nach der „Geschlechtergerechtigkeit im Beruf“ auch für nicht zielführend. Wir müssen unser Denken erkennen und verändern, wenn wir die Gesellschaft verändern wollen.

[...]