Blütenlese der Linguistik

Anyea

Anyea [Subst. (e-Dekl.), n]: Loslösung des Einzelnen, des Staates und gesellschaftlicher Gruppen aus den Bindungen an die Kyrakeia

 

Aus einer Vorlesung des Meister-Historikers Theandras Momses an der Universität von Myra:

 

"[...] Es ist geradezu ironisch, dass die Kyrakeia, die über Jahrhunderte in die politischen Geschicke des Nordens eingriff, in der Spätklassik der größte Verfechter der Anyea, der Trennung von Staat und Religion war. Nicht wahr? Um dieses scheinbare Kuriosum zu verstehen, müssen wir wissen, dass die Verflechtung von Staat und Religion ihren Ursprung in den Sitten der phalopischen Städte hatte. Seit diese ihre Fürsten zu Gunsten der Oligarchien verworfen hatten, waren die Tempel jener Städte Amtsstuben städtischer Magistrate. Nach dem Vorbild des Südens, wurde diese Sitte auch im arroischen Norden befolgt, auch wenn es hier die Magistrate des arroischen Königs waren, die unter dem Titel eines „Oberpriesters“ oder „Tempelvorstehers“ die Magistrate des Südens ersetzten. So wurde es üblich, dass die für Markt und Handel tätigen Beamten, dem Titel nach, Priester des Armis-Tempels waren; der Isthanistempel jeder größeren Stadt war sozusagen das Katasteramt.

 

In der Klassik waren die „Hohepriester“ der Ministerrat des arrovelosianischen Königs: Der Hohepriester des Armis also der Handelsminister, der Hohepriester des Arkos der Kriegsminister, der Hohepriester des Enkilos der Binnenschifffahrtsminister, usw.

 

Als nun aber die Asiranisten immer mehr an Einfluss gewannen, fanden sie es unziemlich Ämter zu übernehmen, für die sie der Form und dem Titel nach anderen Göttern dienen sollten. Aus diesen Querelen entstand die Forderung der „Anyea“: Die Ämter sollten „aus den Tempeln“ hinaus getragen werden. Dahinter steckte also keine direkte Forderung nach der Trennung von Staat und Religion, vielmehr die Forderung den Staat vom Altglauben zu trennen.

 

Es ist also nicht ironisch, dass die Kyrakeia die Trennung von Staat und Kirche verfocht – denn das tat sie in der heutigen Interpretation nie – es ist einfach falsch. Die Anyea der Klassik stellte vielmehr den ersten Schritt auf dem Weg dar, den arrovelosianischen Staat mit der Kyrakeia zu verbinden! Ironisch ist also höchstens, dass wir den Begriff „Anyea“ heute radikaler auslegen, als er damals gemeint war. [...]"

Blau; Blaue Fahne; Blau sehen

Aus: Wer weiß, der weiß - Sachbuchreihe für Kinder & Jugendliche, Band 2 "Sprichwörter, Redewendungen und geflügelte Wörter"

 

Warum wir die „Blaue Fahne“ schwenken oder „blau sehen“, wenn wir aufgeben

 

„Die Aufgabe ist viel zu schwer, da seh‘ ich einfach blau!“, hast du dir bestimmt schon das ein oder andere Mal gedacht oder musstest nachdem du Buch um Buch für eine Prüfung gelernt hast einfach die „Blaue Fahne“ schwenken und eine Nachprüfung in Kauf nehmen. Aber warum ist das so, warum sehen wir ausgerechnet „blau“?

 

Die phanechischen Handelsschiffe hatten bereits in der Antike blaue Wimpel an ihren Masten – natürlich nicht einfach blau, sondern Sor-Blau, gefärbt mit dem berühmten Farbstoff, der die phanechischen Städte reich und berühmt machte. Mit diesen Wimpeln machten sie auf sich aufmerksam, zeigten, dass sie am Handel interessiert waren und generell, dass sie in Frieden kamen.

 

Nach und nach wurde der „Blaue Wimpel“, den man auch „Phanechischer Wimpel“ nannte, auch von den Handelspartnern der Phanecher als Zeichen der Handelsbereitschaft eingesetzt und bereits in der Klassik waren Blaue Wimpel in der ganzen bekannten Welt das Zeichen für Händler. Von hier war es nur ein kleiner Schritt, der den Blauen Wimpel zum Parlamentärszeichen machte.

 

Mit der Zeit wurde der Blaue Wimpel zu einer Fahne, die von belagerten mittelalterlichen Burgen bis zu den Gräben der Großen Kriege geschwenkt wurden, wenn Verhandlungen gewünscht wurden. Doch in der Zeit der Großen Kriege veränderte sich zusehends die Bedeutung der Blauen Fahne, denn statt Verhandlungen einzuleiten, diente sie nur noch der Signalisierung der Unterwerfung – und hier sind wir mit unserem kleinen historischen Exkurs bei unseren heutigen Redewendungen angekommen. Jetzt weißt du hoffentlich, warum die „Blaue Fahne zu schwenken“ so viel wie „aufgeben“ bedeutet, hoffentlich hast du es bis hier hin geschafft – und nicht vorher „blau gesehen“!

DIe Geschichte vom Esel-Euas

oder: Warum ein Militärrang so heißt - eine arvelische Anekdote

Schon als Euas ein Junge war, verbrachte er viel Zeit mit den Eseln, die seine Eltern zu Transportzwecken hielten. Mit der Zeit verstand er die Esel beinahe so gut, wie er die Menschen verstand und die anderen Dörfler gaben ihm den Beinamen „Othelleuas“(1). Sie suchten oft seinen Rat, wenn sie mit ihren Eseln ein Problem hatten – und wir wissen, man kann viele Probleme mit einem Esel haben. Mit seinem Sachverstand konnte Euas ein gutes Leben führen, auch wenn er stets nur eine kleine Gabe für seine Dienste erwartete.

Dann aber kam der Krieg und auf den Geheiß des Königs aus dem Fernen Pellas mussten alle Esel an die Garnisonen ausgeliefert werden, damit sie Truppen und Gerät aufs Feld bringen. Für Euas war dies so schwer, wie für die Mutter, die all ihre Kinder hergeben soll – doch seine Eltern hatten ihm Loyalität gegenüber dem Reich gelehrt und so fügte er sich schweren Herzens. Er versuchte sich in der Garnison als Eselführer zu verdingen, doch man lehnte ab. Stattdessen wurde er zum Heer eingezogen und musste, nach nur kurzer Einweisung in die Waffen, an die Front marschieren.

Schon in der ersten Schlacht geriet Euas in Bedrängnis, denn seine Einheit aus frischen Rekruten wurde fast völlig aufgerieben. Beinahe wären er und seine letzten Gefährten auch unter den Toten zu finden gewesen, da gelang es Euas einige der Esel des Feindes herbei zu locken. Euas und seine vier Gefährten sprangen auf die Eselsrücken und wollten ihr Heil in der Flucht suchen. Doch, da keiner von ihnen über genug Erfahrung verfügte, ritten sie nicht auf ihre Linien zu, sondern auf die des Feindes. Das Heer des Feindes, das sich schon im Siegen glaubte, wurde durch die heranpreschenden Eselsreiter so in Aufruhr gebracht, dass es sich aufzulösen begann – denn schnell ging das Gerücht eines großen Reitereiangriff umher.

So kam es, das der Eselflüsterer Othelleuas das Blatt der Schlacht wendete und dem Reich zum Sieg verhalf. Für seine Taten wurde er zum Obersten Rittmeister des Königs ernannt und noch heute, obgleich längst das Pferd den Esel in der Reiterei abgelöst hat, trägt der Oberste Kavallerieführer immer noch den Beinamen „Othelleuas“.

 

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(1) Othelleuas ~ "Eseleuas"

Traklertas

Traklertas [Subst. (o-Dekl.), m, Pl. Traklertes]: Sprachmittler, der gesprochenen Text mündlich von einer Ausgangssprache in eine Zielsprache überträgt

Aus dem "Wortschatz des arvelischen Ichyrisch", Stichwort "Traklertas", Abschnitt "Wortherkunft"

 

Ein seit der Klassik bezeugter Berufsstand, seit dem Mittelalter in eigenen Gilden organisiert, im heutigen Arvelien durch eigene Fachhochschulen ausgebildet.

 

Etymologisch leitet sich die Berufsbezeichnung von trakəloin „hinhören, genau zu hören“ ab und bezieht sich, mittelalterlicher Schriften nach, auf den Unwillen der Fürsten Reden in fremder Sprache zuzuhören; was auch heute noch häufig vorgebracht wird. Die klassische Überlieferung lässt jedoch erkennen, dass die „Hinhörer“ ursprünglich nicht einfach zur Übertragung von gesprochener Sprache eingesetzt wurden, sondern allgemein zur Interpretation gesprochener Texte herangezogen wurden und aus langen Reden die wichtigsten Inhalte und Meinungen für ihre Auftraggeber kondensierten. Dank der Archäologie wissen wir heute, dass die Bezeichnung der Traklertes ursprünglich wohl zur Bezeichnung spezieller Orakelpriester, wie jener beim phytischen Orakel, diente und jene Priester bezeichnete, die die Worte des Orakels hörten, interpretierten und an die Bittsteller weitergaben. Aus dieser ursprünglichen Funktion leitet sich auch das heutige sevischeDragalme“ ab, welches die analytische Interpretation literarischer Texte bezeichnet, sowie interessanterweise „Dragalaz“ - „der Betrüger/die Betrügerin“.

Phelanas, has

GrammatikSubstantiv (Maskulinum) – Genitiv Singular: Phelanei – Nominativ Plural: Phelanes

WorttrennungPhe-la-nas

 

Bedeutung

  1. amtliche Beglaubigung, Legitimation
  2. selten Beweis, Beweisstück; Zeugenaussage
  3. Wirtschaft Nachweis, Rechenschaftslegung
  4. veraltet Glaubensbekenntnis

 

 

Etymologie

phəl|ne Ia. ‚aufsagen, vortragen, wiedergeben‘; Im 5. Jh. erstmals als phelnas in der Bedeutung ‚Glaubensbekenntnis‘ bezeugt, seit dem 7. Jh. phelanas. Seit dem 8. Jh. bildet sich die Beutung ‚amtliche Beglaubigung‘ heraus1, später ‚Zeugenaussage‘ (10. Jh) und von dor aus ‚Beweis, Beweisstück‘ (12 Jh). Eingang in den Wirtschaftsjargon im 15. Jh.

 


1 – In den mittelalterlichen Reichen Chyriens verschmolzen die Staatsreligion der Kyrakeia des Asiranas mit der weltlichen Herrschaft so stark, dass die Staatsangehörigkeit mit der Mitgliedschaft in der Landes-Kyrakeia identisch war und das Glaubensbekenntnis, mit dem der Eintritt in die Kyrakeia vollzogen wurde, der Einbürgerung gleichkam; in rechtlichen Angelegenheiten wurde das Gemeindebuch als ‚amtliche Beglaubigung‘ der Staatsbürgerschaft herangezogen. Davon ausgehend, weitete sich die Bedeutung auf jede Form ‚amtlicher Beglaubigung‘ aus.

Rede des Arelbas Kais Masson, 7. König von Karra

vor dem Weltkongress (01.03.1972) [Auszug]

Am 1. Phasphyrion des Jahres 1972 hielt Arelbas Kais Masson, 7. König des Königreichs Karra, eine flammende, sechsstündige1 Rede vor der Vollversammlung des Weltkongresses in Nynexea, an deren Ende er die Welt mit dem Austritt seines Landes aus dem Weltkongress schockierte. Der folgende Auszug, das "Tugendreferat", bildete den Auftakt zum schließenden Höhepunkt seiner Rede.

 

[…] Das Wort Rubea ist abgeleitet von ruberaye, einem ersevischen Lehnwort, dessen Grundbedeutung das gewünschte oder bevorzugte Verhalten einer Person umschreibt und den wir am ehesten mit „Anspruch“ oder „Erwartung“ übersetzen können. Allgemein verstehen wir unter Rubea die hervorragenden Eigenschaft oder vorbildliche Haltung einer Person bzw. eine von der Gesellschaft als erstrebenswert erachtete Charaktereigenschaft.

 

Sie ist heute ein Oberbegriff für eine Reihe konkurrierender Konzepte aus verschiedenen Zeitaltern und kulturellen Bereichen. Die älteren Konzepte kennen wir teils nur durch die streiterischen Auseinandersetzungen antiker Philosphen mit ihnen, wie u.a. bei Assanos Toras, Elas Atanos und Zeros Supnomanos. Inwieweit diese Konzepte in Antike und Frühklassik wirklich den Alltag beeinflussten, lässt sich heute bestenfalls indirekt belegen.

 

Zu den älteren Konzepten gehören Agonea und Pyretrea, die „Männliche Tugend“ und die „weibliche Tugend“. Die Agonea weist Sportlichkeit, Wehrhaftigkeit, Mut und Loyalität Männern als Tugend aus, während die Pyretrea Ehrlichkeit, Fruchtbarkeit, Sauberkeit und Sanftmut als Tugenden der Frauen darstellen. Schon antike Gelehrte erkannten die Tugenden des einen Geschlechts als auch für das andere erstrebenswert, wodurch sich das Konzept der Entrea, der „Menschlichen Tugend“, entwickelte, das zumindest dem Namen nach von Philosophen aller Zeitalter erweitert oder erneuert wurde, heute jedoch im allgemeinen Sprachgebrauch, die „Menschenwürde“ bezeichnet.

 

Mit Elas Atanos und den Asiranisten gewann auch die Nysea an Bedeutung, die „religiöse Tugend“; mit dem Aufstieg des Asiranimus verengte sich ihre Bedeutung auf die Einhaltung der Gebote des Asiranas und später auch anderer Kirchendogmen, sich umgangssprachlich aber auf „Friedfertigkeit“, „Ehrlichkeit“, „Nüchternheit“ und „Redlichkeit“ bezieht.

 

Seit der frühen Neuzeit suchen Philosophen nach der Schaffung einer Toraea, einer „Welttugend“, jenen Charaktereigenschaften, die für das Gemeinwohl aller erstrebenswert seien. Obgleich bislang nicht die eine Toraea gefunden wurde, gründet auf dem Geist einer, zumindest damals verbeiteten, Form von ihnen der Weltkongress, dessen Gründungscharta „Hilfsbereitschaft“, „guten Willen“, „Gerechtigkeit“ und „Menschlichkeit“ als erstrebenswert festlegt und in ihnen den „gedeihlichen Boden der Zusammenkunft der Völker“ erkennt. Es ist traurig, dass sie mit „gutem Willen“ geschrieben wurde, doch bislang unversucht blieb, diese Werte zu erstreben, die von einer Satzung nicht definiert wurden und von jeder Nation dieses Planeten gemäß eigener Vorstellungen und politischer Pläne mal so und mal so ausgelegt werden. Statt ein gedeihlicher Boden für den Frieden zu sein, haben sich die Welttugenden zu einem rankenden Ungetüm ausgewachsenen, in dem die großen Nationen ganz willkürlich die Tugenden zu Ungunsten der kleineren Völker biegen und wenden, so wie es ihnen gerade passt. [...]

 


1 Sein Weltkongress-Minister hatte zuvor alle Register gezogen und seinem Herrscher durch Ausnutzung aller Paragraphen, Leerstellen und Präzedenzen diese unerhört lange Redezeit verschafft; dieses "Karrische Abschiedsgeschenk" ist sprichwörtlich geworden, ebenso wie "Reden wie karrische König".

 

PArty gestern, Klausur heute: Ich bin "behämmert"

Aus: Wer weiß, der weiß - Sachbuchreihe für Kinder & Jugendliche, Band 1 "Was wirklich hinter unseren Wörtern steckt"

 

pyttas, -e, -on – Adj.: „behämmert sein“ = in einer ausweglosen Situation stecken; total ausgeliefert sein.

 

„Euas hat die ganze Nacht Aritia Are 6 gespielt und kaum geschlafen, wenn er heute in der Schule einen Test schreiben muss, ist er total behämmert!“ - Solche oder ähnliche Sprüche hat jeder von uns schon einmal benutzt, doch hast du dich mal gefragt, warum wir ihn benutzen? Woher stammt dieses Wort?

 

Der Ursprung des Wortes liegt, das erkennt man noch sehr gut, beim Pyttus, dem „Hammer“. Aber was hat er mit einer ausweglosen Situation zu tun? Dafür müssen wir ins Mittelalter zurückblicken! Die Avesser, denen wir letztlich dieses Wort zu verdanken haben, hatten, wenn sie es benutzten etwas ganz konkretes vor Augen: Das Gepytton. Bei dieser mittelalterlichen Hinrichtungsmethode wurde dem stehenden Delinquenten mit einem Hammer zunächst so gegen den Kopf geschlagen, dass er nach vorne umfiel, dieser Fall wurde jedoch durch einen zweiten Schlag umgelenkt, so dass er auf dem Rücken zu Fall kam. Dach wurde ihm entweder die Kehle aufgeschlitzt oder er wurde mit weiteren Hammerschlägen bedeckt, bis er ganz Tod war. Oft wurden den Deliquenten zuvor Hände und Arme mit Hammerschlägen gebrochen. Wenn also jemand „behämmert“ wurde, dann gab es für ihn keinen anderen Ausweg mehr, als den Tod.

 

Wenn du dich also das nächste „behämmert“ fühlst: Kopf hoch, so schlecht wie den echten „Behämmerten“ damals wird es dir schon nicht gehen!