Ein paar Meilen nördlich von Antir finden sich am Fluss ein paar klägliche Reste einer alten Steinbrücke. Unter den Bewohnern der umliegenden Höfe erzählt man sich seit Generationen Geschichten über diesen Ort, eine davon wurde von Jakon Sovilsvala in der folgenden Form aufgeschrieben:
Unter einer Brücke über den Fluss, da lebte ein Dware. Nicht unter einer morschen, wackeligen Brücke, aus deren Planken irgendwelche Moose und Algen herabbaumelten und die nach Schlamm und Moder roch. Auch nicht etwa unter einer bröckeligen Steinbrücke, die so kahl war, dass man sich nicht einmal darunter verstecken oder vor dem Wind geschützt speisen konnte. Es war eine Dwarenbrücke, und das bedeutet Baukunst.
Die Brücke überspannte mit zwei Bögen den Fluss und ihr Pfeiler war so beschaffen, dass er das Flusswasser um sich leitete, statt ihm Widerstand zu leisten. Das Oberere der Brücke war sorgsam mit glatten Steinen gepflastert, so dass kein Wagen klapperte, der darüber fuhr. Der Fahrweg fiel sacht nach außen hin ab, so dass der Regen sich nicht auf der Brücke sammelte, sondern in den Fluss abfloss und die Löcher, durch die das geschah, waren nicht irgendwelche einfachen Löcher, sondern den Mäulern von Drachen und Löwen nachempfunden, majestätisch, aber nicht bedrohlich. Ein hüfthohes Geländer bot jenen Sicherheit, welche die Brücke zu Fuß querten, und ihr Gehweg zu beiden Seiten des Fahrwegs war sanft erhöht, so dass kein Fußgänger in den Unrat irgendeines Zugtieres treten musste. An beiden Ufern schmiegte sich die Brücke an Steilhügel, doch war sie so gebaut, dass es eher schien, als dass sich die Brücke aus den Hügel ergab, als dass man sie mit Kraft hineingeschnitten hatte. Der Dware hatte an beiden Uferseiten unter der Brücke eine gemütliche Stube. Im Winter bewohnte er die Stube am Südufer, im Sommer die im Norden, denn sie kam ihm wegen der nördlichen Lage kühler vor.
Wenn ein Wagen oder ein Reisender ankam, um über die Brücke den Fluss zu queren, so legte er ein paar Münzen, eine herrliche Speise oder eine kleine Amphore Bier, Mjud oder Wein in eine Schale auf der Uferseite, von der er kam. Denn auf jeder Seite stand so eine Schale, die die Ausmaße eines großen Topfes hatte. Jede Nacht, kurz nach Sonnenuntergang, leerte der Dware die Schalen und fügte die Gaben seiner Speisekammer oder Geldtruhe hinzu. So hatte der Dware ein gutes Auskommen. Wenn er etwas brauchte, so legte er einen Geldbeutel mit einer Liste in eine der Schalen und ließ sich die benötigten Dinge von einem der Vorbeiziehenden besorgen. So konnte der Dware sich ganz auf die Brücke konzentrieren und das tat er mit Leidenschaft. Beständig klopfte er die Steine und ersetzte jene, die brüchig zu werden drohten. Er meißelte Unebenheiten glatt, entfernte Unrat und sorgte dafür, dass die Regenabflüsse nicht verstopften. Spülte ein Sturm einmal so viel Treibgut gegen die Brücke, dass es sich am Pfeiler verhakte, entfernte er dies; genau wie Laub oder Schnee, die die Brücke glitschig und gefährlich gemacht hätten. Und da Dware sehr langlebig sind, ging das für viele Jahrhunderte so. Draußen in der weiten Welt konnten Bauwerke entstehen und wieder verfallen, aber die Dwarenbrücke blieb so wunderbar und sicher, wie eh und je.
Dann aber änderte sich die Welt und die Menschen wurden geizig und verschlagen. Immer weniger gaben dem Dwar eine Gabe in seine Schalen und wenn er sich von den kläglichen Almosen einige Dinge besorgen lassen wollte, so nahmen die Vorbeiziehenden den Geldbeutel mit, aber kamen nicht wieder. So knurrte dem Dwar bald jeden Tag der Magen und er wurde immer schwächer und war immer seltener in der Lage, seiner Sorgfalt nachzukommen. So wie der Dwar abmergelte und schwächlich wurde, wurde auch die Brücke brüchig und schmutzig. Und in einem besonders kalten Winter, legte sich der Dwar hungrig in sein Bett und wickelte sich in schäbige, abgenutzte Decken, denn auch seine Stube am Südufer war zugig geworden und wachte aus seinem Schlaf nicht mehr auf. Winter und Stürme waren nicht gnädig mit der Brücke, um die sich niemand mehr kümmerte. Die glatten Steine platzen, die Steine bröckelten und das Treibgut verfing sich an der Brücke. Als mit der Schneeschmelze in den Bergen der Fluss anschwoll, staute er sich an der Brücke und hatte bald genug Kraft, sie mit sich fortzureißen.
Heute stehen dort, wo die Dwarenbrücke einst stand, nur noch die zerbrochenen Schalen an jeder Uferseite und wenn der Fluss wenig Wasser führt, kann man in seiner Mitte noch ein Stück vom Pfeiler sehen. Nie wieder ließ sich ein Dware hier nieder, um eine neue Brücke zu bauen, und fortan mussten die Menschen einen langen Weg zur Furt nehmen, um über den Fluss hinüber zu kommen.