Anomalie in der Leere

Ein plötzliches Rütteln, gefolgt von Vibrationen, lässt Kiral in seiner Koje aus dem Schlaf schrecken, noch etwas benommen tastet er an der noch brummenden Wand nach dem Knopf und drückt ihn: „Captain an Brücke, Nummer Eins, was verdammt ist da los?“ Er lässt den Knopf los und prompt kommt die Antwort durch Lautsprecher, allerdings leicht verzerrt: „Wir hängen fest, Captain, die Maschinen laufen, aber wir bewegen uns keinen Milimeter!“ „Ursache?“ „Unklar, die Wissenschaft analysiert die Daten“ „Antrieb runterfahren! Ich bin gleich oben.“ Captain Kiral klettert aus der Koje und beginnt seine Uniform anzuziehen. Das rote Licht des stillen Alarms spielt dabei auf seinen stählernen Muskeln.

 

Die Allleere – unendliche Weiten. Wir befinden uns in einer fernen Zukunft. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enral, das viele Lichtjahre von der Toraja unterwegs ist, um fremde Welten zu entdecken, unbekannte Lebensformen und neue Zivilisationen. Die Enral dringt dabei in Zonen vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.

 

„Captain auf der Brücke!“ Kiral klettert aus dem Leiterschacht auf die Brücke, sein erster Offizier Madas blickt gerade dem blauhäutigen Wissenschaftsoffizier Nab über die Schulter, der auf einen Bildschirm voller Anzeigen starrt. „Nummer Eins!“, herrscht Kiral den Offizier an, „Situationsbericht. Ein Hinterhalt der Zulonen? Wir sind ja wohl nicht auf eine Sandbank aufgelaufen!“ Madas schüttelt den Kopf: „Nein, Captain, kein Hinterhalt. Die Telemetrie zeigt keine anderen Schiffe in der Umgebung an.“ „Und die Zulonen wären zu so etwas gar nicht fähig“, mischt sich Nab ein, „Das ist schon eher eine Sandbank.“ Kiral und Madas starren die Blauhaut an, doch Nab fährt unbeeindruckt fort „Den Daten nach werden wir von der Schwerkraft eines Mikrorisses gefangen gehalten. Er muss sich plötzlich gebildet haben, die Antennen haben ihn vorher nicht bemerkt. Vielleicht eine Spontanverzerrung ausgelöst durch unseren Phasengenerator.“

Das Schiff bebt deutlich, überall piepsen Alarme. „Was ist da los?“, fragt Kiral aufgeregt. „Der Riss vergrößert sich, Captain“, berichtet Nab, der ungewöhnlich besorgt wirkt, „Wenn er sich weiter mit dieser Geschwindigkeit vergrößert, reißt er das Schiff in weniger als zwei Stunden auseinander!“

„Offizier Nab, berechnen sie die Antriebskraftstufe, die wir benötigen, um uns von dem Riss loszureißen!“, befiehlt Kiral und drückt dann einen Knopf an der Lehne seines Captainsstuhls, „Maschinenraum, hier spricht der Captain. Skollas, wie siehts mit dem Antrieb aus?“ „Antrieb ist abgeschaltet, Captain. Die Diagnose zeigt keine Beeinträchtigung, aber wenn die Erschütterungen stärker werden, könnten die Phasenfalten instabil werden.“ „Dann implodieren wir!“, entfleucht es Madas panisch. „Wir bräuchten mindestens Stufe 9, um dem Riss zu entkommen, dabei reißen wir ihn aber so weit auf, dass ...“, berichtet Nab, wird jedoch von Kiral unterbrochen, der erneut den Maschinenraum anfunkt: „Skollas der Antrieb muss auf Stufe 9 hochgefahren werden.“ „Captain, das übersteigt die Normleistung um 4 Stufen!“ „Wie lange, Skollas?“ „Für die Anpassungen und Sicherungsumgehungen brauche ich mindestens 3 Stunden!“ „Du hast Anderthalb!“, befiehlt Kiral und drückt einen anderen Knopf: „Hier spricht der Captain. Alles nicht benötigte Personal sucht sofort die Kabinen auf und beginnt mit der Sprungsicherung!“

 

Eine schnelle Montage wechselt zwischen Ingenieur Skollas und seinem Team, das Kabel umsteckt, Programme umschreibt und durch Zauberrituale neue Phasenfalten in der Antriebskammer erzeugt, Crewmitgliedern, die hektisch in ihre Kabinen laufen und sich anschnallen, den Brückenoffizieren, die sich an ihren Stühlen festgurten, Nab, der weiter Daten aus Telemetrie abliest und Kiral, der in angespannten Posen durch seine Mimik den Ernst der Lage ausdrückt.

 

„Maschinenraum an Brücke. Der Antrieb ist bereit!“ „In Ordnung, Maschinenraum, auf meinen Befehl!“ Es folgt eine dramatische Pause, in der die Kamera noch einmal die enge Uniform des Captains abfährt, damit man seinen athletischen Körper bewundern kann „Energie“

 

Der Bildschirm wird blau. Das Logo des Staatlichen Nachrichtennetwerks wird eingeblendet. Dann sieht man die Nachrichtensprecherin Gyndele, die hektisch einige Papiere durchwühlt. Die Kamera richtet sich auf sie und sie begrüßt die Zuschauer: „Verehrte Zuschauer, wir unterbrechen das laufende Programm aufgrund wichtiger Neuigkeiten. Die unbemannte Raumsonde Armis-3 hat so eben Signale gefunkt, nach denen auf Aitor-4, den die Wissenschaftler seit geraumer Zeit in der habitablen Zone unserer Nachtsonne vermuten, Anzeichen für Leben existieren. Wie es aussieht, sind wir nicht allein in der Allleere! Wir schalten gleich weiter nach Pellas, wo in diesem Augenblick eine Pressekonferenz der Chirischen Allfahrt-Organisation vorbereitet wird. Bitte bleiben Sie dran …