Heiliger Bär und Toter Gott

In der Antike verehrten und fürchteten die Arbaren ihre Götter im gleichen Maß. Sie erkannten das Wirken ihrer Götter und niederer Geister überall in der wilden, ungezähmten Natur. Die Götter, die sich ihrer Überzeugung nach nur in der Gestalt von Tieren offenbarten, hatten eine freundliche und eine grausame Seite und waren deshalb nicht immer eindeutig von den Altvorderen zu unterscheiden, von denen einige als finsteres Göttergeschlecht einen Platz in ihrer Mythologie besaßen.

Mit der Asiranisierung der Arbaren, die sich seit der frühen Klassik immer weiter nach Norden ausbreitete, wurde die altvordere Seite vieler Gottheiten deutlicher; andere verschmolzen mit der neuen Glaubenswelt und andere überlebten die Zeit in Gestalt von Märchen- und Sagenfiguren.

ertius -  Vom Bär zum König

Ertius war der bärengestaltige Gott der antiken Arbaren. Er war ein Gott der agressiven Stärke und Kriegsgott der Elite. Verehrt wurde er jedoch vor allem als Schutzgottheit der Heimat und der Sippe. Nur die in seinen elitären Kult Eingeweihten verehrten ihn auch als Gott, der den Tod überwindet und ihnen eine körperliche Wiederauferstehung verhieß.

Die Eingeweihten verehrten den Bärengott in kultischen Männerbünden, die seit der Spätantike dem sich herausbildenden Adel vorbehalten waren. Diese Eingeweihten mussten einen Zweikampf, auf Leben und Tod, mit einem ausgewachsenen Bären bestehen, um ihre Würdigkeit zu beweisen. Erst in der Spätphase seiner Verehrung wurde dies durch einen kultischen Kampf gegen einen Priester mit Bärenmaske ersetzt. Das ursprüngliche Initiationsritual war eine Abwandlung der in der Antike üblichen Todesstrafe: Der Verurteilte wurde, während er durch Schwarzmantelsporen unter Halluzinationen litt, in eine Bärenhöhle geschickt; konnte er in diesem Zustand den Bären bezwingen, so hatte er seine Unschuld vor Ertius und den Menschen bewiesen - und wurde gleichsam zu einem Eingeweihten des Kultes. Nur durch diese Bestrafung konnten auch Frauen Teil der Kultgemeinschaft werden, denen ansonsten der Zugang zu den Männerbünden verwehrt war.

In den Uryphasbergen wurde, vermutlich seit prähistorischen Zeiten, ein großer Bär als leibhaftiger Ertius verehrt und von acht Priesterinnen umsorgt, die des Nachts mit den zum Heiligtum pilgernden Kriegern wüste, sexuelle Orgien feierten. Zumindest echyrischen Quellen nach warfen die Priesterinnen die auf diesem Weg gezeugten Kinder jedoch dem Bärengott zum Fraß vor. Der Kult in diesem Heiligtum hatte bis in die Spätantike bestand, danach finden sich keine Hinweise mehr auf seine Fortführung.

In der Spätantike verschmolz Ertius bei den südlichen Arbaren mit dem echyrischen Kriegsgott Arkos zu Arkos Arkothos (Arkos dem Bären), nachdem auf Betreiben des Kyrenas Mossas und des Pailas Everikos der Stamm der Everiker in und um Arakleia siedelte. Dieser neue synkretische Kult vereinte die beiden Götterkulte, wobei er vom äußeren Anschein her zwar sehr echyrisch geprägt war, sich im kultischen Bereich aber noch stark an seinen arbarischen Wurzeln orientierte. Bis zum Einsetzen der asiranistischen Missionierung während der Klassik breitete sich der Kult des Arkos Arkothos von Arakleia aus auch bei anderen arbarischen Stämmen aus, wo er teilweise neben dem einheimischen Ertius verehrt wurde. In Arros gehörte Arkos Arkothos bis zur Etablierung des Asiranismus zum Pantheon der arroischen Staatsgötter.

In der Klassik verdrängte der Asiranismus langsam den Kult von Ertius und Arkos Arkothos, bis er in der Dunklen Zeit fast in Vergessenheit geriet. Die Erinnerungen an diese Gottheit führten im Mittelalter zum Erscheinen des legendären Königs von Artius von Phonarros. Dieser taucht in vielen literarischen Werken des Mittelalters in unterschiedlichem Kontext und in unterschiedlicher Bedeutung auf. Sein Herrschaftsgebiet wird dabei meist übereinstimmend in Bithylien verortet, wo er sich in Kämpfen gegen einfallende Jeden und Vetten hervortut. Seit dem 12. Jahrhundert Nach wurden verschiedene Geschichten um Artius in der höfischen Literatur ausgeschmückt und in ihre klassische Form gebracht, die schließlich bis heute in Literatur und Film immer wieder aufgegriffen wurde.

Dôdig Heljar - Der Tote Gott und arbarische Asiranas

Der dodig Heljar (der "tote Gott") war in der Antike der gnädige Gott, dem sich vor allem die Treller und ärmeren Esger zuwendeten, da er Ablass von den Mühen der Arbeit versprach. Als Gott der Heilung war er besonders in Zeiten der Seuche verehrt und man flehte seine Milde in Zeiten des Krieges und der Bedrückung an.

Bei dem als Rotkehlchen dargestellten Gott muss es sich um einen jüngeren Gott gehandelt haben, der erst in der Mitte der Antike in Erscheinung tritt. In der Spätantike heißt es von verschiedenen Stämmen, dass sie einbalsamierte Leichenteile aufbewahrten, die vom dodig Heljar stammen sollten - dem Mythos nach war er von furchtsamen Menschen ermordet und zerstückelt worden, nachdem er ihnen in menschlicher Gestalt erschienen war.

Während der Klassik verschmolz der Kult des dodig Heljar im Zuge der fortschreitenden Missionierung durch die Asiranisten schnell mit dem echyrischen Asiranas zum Asiranas Nygênimenos (dem "wiedergeborenen Asiranas"). Diese synkretische Gestalt wurde schließlich im Mittelalter teil der baryteischen Asiranaskirche.

elda Muder - Hüterin des Heims und Mutter der Geister

Die Elda Muder ("Feuermutter") war in der Antike die Göttin des Feuers und Hüterin des Heims. Anders als die anderen Gottheiten der antiken Arbaren hatte sie keine Tiergestalt, da sie ihr Haus im Himmel niemals verließ, um sich den Menschen zu zeigen.

Die Elda Muder wurde als Beschützerin des Heims verehrt und durch einen besonderen Stein im Herdfeuer einer Hol ("Gemeinschaftshaus") darstellt. Sie war die Hüterin der Gastfreundschaft und des Hausfriedens und wurde der Vorsteher einer Hol bezichtigt, gegen eines dieser Gebote verstoßen zu haben, konnte er seine Unschuld beweisen, indem er seine Hand auf den Feuermutterstein legte; hierin liegt vermutlich auch der Ursprung für die Redewendung seine "Hand ins Feuer zu legen".

Der antiken Vorstellung nach saß die Elda Muder im Himmel und hütete das große himmlische Herdfeuer, das den Menschen als Sonne erschien. Man glaubte, wenn sie ihr Feuer schürte und die Funken stoben, so könne man dies am Himmel sehen und manchmal fiel dabei auch Glut vom Himmel herab - so erklärte man sich in der Atmosphäre verglühende Meteoriten und Meteoriteneinschläge.

Der Legende nach entstand die Nachtsonne ebenfalls aus dem Feuer der Elda Muder. Der Gott Ruck hatte versucht brennende Scheite zu stehlen, um sie den frierenden Menschen zu schenken, doch er verbrannte sich und ließ sie fallen.

 

Im Zuge der Asiranisierung verlor die Elda Muder zunehmend an Bedeutung, während ihre das Heim schützenden Aspekte an Akame, die Asiranasmutter, übergingen. Ihr Aspekt als Feuergöttin, die bisweilen ihre mütterliche Gnade abwarf und in blinden, zerstörerischen Zorn verfiel, verschmolz sie zunehmend mit Vorstellungen des Altvorderen Igharnath, bis sie zur Djevulio Muder ("Geistermutter") wurde. Diese bösartige Frau tritt dann im späteren Mittelalter auch zunehmend als Hexe in Märchen auf, dann meist unter dem Namen Muda Divula - wie in dem bekannten Märchen von Harro und Garder, in dem die Muda Divula die beiden entlaufenen Jungen in ihr Haus lockt, um sie im Ofen zu braten und dann zu verspeisen.

 

Kalma - Die Große Mutter  und der  Geikja-brauch

Der Geikjakarnin
Der Geikjakarnin

Kalma, die in der Antike häufiger unter ihrem Beiname Sturma Muder ("große Mutter") verehrt wurde, war die große weibliche Fruchtbarkeitsgöttin der Arbaren und somit das weibliche Gegenstück zu Karnas. In der Mythologie waren vor allem Hühner, Gänse, Kaninchen und Störche eng mit ihr Verbunden.

Die sturma Muder brachte der Vorstellung nach dem Land, aber auch Mensch und Vieh Fruchtbarkeit, warnte vor Gefahren und galt insbesonders als Beschützerin von Müttern, Schwangeren und kleinen Kindern. Auch der Übergangsritus der Rasbvîu stand unter ihrem Schutz und später die Veller.

Der Kult der Kalma wurde nur von Priesterinnen begangen, die dazu in kultischen Frauenbünden organisiert waren und quasi das weibliche Gegenstück zu den Männerbünden Ertius des bildeten.

Geikjâ ("bunte Eier") war ein mit dem Frühjahrsfest verbundenes Ritual, das seinen Ursprung im Kult der sturma Muder hatte. Am Abend vor der Frühjahrstagundnachtgleiche versteckten die jungen Frauen gekochte und gefärbte Eier im Dorf, die am folgenden Tag von den jungen Männern gesucht wurden. Jede Frau hatte dabei eine bestimmte Farbe oder auch ein bestimmtes Muster, das zunächst nur den Frauen bekannt war. Jede Frau sollte nur ein einzelnes Ei mit ihrem Muster verstecken und der junge Mann, der beim Frühjahrsfest dieses Ei fand, erwarb damit Anspruch auf Sex mit dieser Frau bei den orgiastischen Fruchtbarkeitsriten am Abend. Angeblich soll der männliche Furchtbarkeitsgott Karnas sich einen Spaß daraus gemacht haben, in der Nacht weitere bemalte Eier zu verstecken, damit mehr junge Männer Anspruch auf Sex mit einigen der Frauen hatten - doch hinter diesen Erzählungen verbirgt sich vermutlich eher die Gewohnheit der Männer in den Tagen vor dem Fest den Versuch zu unternehmen, die Bemalung des Eis ihrer Angebeteten herauszufinden und ein entsprechend bemaltes Ei selbst zu verstecken. Der Geikjâbrauch blieb auch nach der Asiranisierung noch lange ein üblicher Brauch, legte jedoch im Mittelalter seine sexuelle Komponente ab. Seitdem verstecken die Horger bemalte Eier, die dann von ihren Kindern gesucht werden. Die Erinnerung an Karnas lebt bis heute in der Gestalt des Geikjâkarnin (dem "Geikjâhasen") fort.

Durch die Asiranisierung blieb von der sturma Muder jedoch kaum mehr als das Geikjâfest erhalten, nachdem die Asiranasmutter sie in ihrer Rolle als Schützerin der Schwangeren und Kinder übernommen hatte. Ihre sinnlichen, sexuellen Aspekte wurden bald in die Nähe des Altvorderen Thuakecho gerückt und die große Mutter verblasst im Mittelalter zur Stumada einer gierigen Vampirin, die Kinder frisst, junge Frauen aus Neid erwürgt und junge Männer in der Nacht so heftig reitet, dass sie impotent werden.

Karnas - Von Hasenpfoten und ... Hasenpfoten

Karnas war in der Antike ein männlicher Fruchtbarkeitsgott, der  bei den nördlichen Stämmen Arbas genannt wurde und gemeinhin als Hase dargestellt wurde.

Der hasengestaltige Gott war die göttliche Schutzmacht der Männer, Garant ihrer Fruchtbarkeit und Potenz, aber auch ihrer Fitness und Gesundheit (daher auch der Name einer heute erfolgreichen Fitnessstudiokette). Der Zorn oder eine kleine Verärgerung des Gottes bedrohte die Männer mit Impotenz, Unfruchtbarkeit und Krankheit - und Karnas galt als leicht zu verärgernder Gott. Viele antike Lieder und Geschichten schreiben ihm einen derben Humor zur eigenen Belustigung auf Kosten der Menschen und anderer Götter zu (in diesem Zusammenhang steht wohl auch seine Rolle beim Geikjafest). 

Der unter dem Namen Arbas verehrte Gott der nördlichen Stämme wurde im Gegensatz zum südlichen Karnas auch als Stammvater der Menschen angesehen; dass auf ihn der Name "Arbaren" zurückginge, ist jedoch eine volksetymologische Deutung der Klassik.

 

Ein wichtiger Talisman im Zusammenhang mit dem Kult des Arbas war die Keskfutir ("Hasenpfote", wobei kesk die Antike Bezeichnung für einen "Rammler" ist). Der Keskfutir galt als potenzsteigernd und -erhaltend, weshalb er von vielen arbarischen Männern an oder in der Hose getragen wurde; bei einigen Stämmen waren auch zu Penishülsen verarbeitete Hasenpfoten oder aus Hasenfell gearbeitete Phallustaschen als Keskfutir verbreitet. Bereits in der Spätantike wurde "Keskfutir" auch als Bezeichnung für Männer verwendet, die lieber Sex hatten, als ihren Pflichten nachzukommen oder sich nur Gedanken darüber machten, zu ihrem Partner oder ihrer Partnerin zurückzukehren, so dass der Begriff zunächst auch die Bezeichnung für einen "liebestollen Mann" wurde. Die Übertragung auf aus liebestolle Frauen muss noch vor der Klassik stattgefunden haben, da er in klassischen Quellen bereits häufig und ohne weitere Erklärungen auf Frauen angewendet wird (und sich mit keskfuto auch ein Adjektiv in der Bedeutung "liebestoll; feige" gebildet hat). Wann genau sich für Keskfutir auch die Bedeutung "Feigling" etabliert hat, lässt sich heute nicht mehr genau ausmachen, doch ist sie in der Klassik bereits geläufig. Ebenfalls in der Klassik nahm Begriff schließlich auch die Bedeutung "Wichser" an, für vor allem Jugendliche, die bei jeder Gelegenheit mit ihrer "Hasenpfote spielten". Lediglich diese derbe Bedeutung hat sich bis ins moderne Arbarisch gehalten. Als die Ursprünge des Keskfutir-Brauchs vergessen und der Talisman sich von einem Furchtbarkeits- zu einem allgemeinen Glückstalisman entwickelte, wechselte dessen Bezeichung noch vor dem Mittelalter zu "Karninfutir" ("Hasenpfote", wobei "Karnin" die geschlechtsneutrale Bezeichnung für "Hase" war).

Die Asiranisierung verdrängte den Kult des Karnas und rückte den Gott in die Nähe des Altvorderen Thuakecho, mit dem er, wie Mavunas, langsam verschmolz. Die mittelalterlichen Quellen schreiben diesem dunklen Karnas allerlei sexuelle Perversionen zu, mit denen er auch die Menschen verdirbt und schildernden wüste Sexorgien an verdorbenen Orten. Als sich in der Zeit der Magischen Revolution auch im arbarischen Sprachraum die altvorderen Namen durchsetzen, gerät Karnas schließlich ganz in Vergessenheit - bis auf seine Rolle als Geikjakarnin.

Erkisa - Mutter der Verstorbenen und todesvettel

Die Göttin Erkisa, die häufig nur mit Veliu Muder ("Mutter der Verstorbenen") bezeichnet wurde, war die antike Göttin des Todes und der Nacht. Sie war zwar Teil vieler Geschichten und wurde wohl bereits früh im Rahmen der Bestattungsriten angerufen, erfuhr aber ansonsten keine kultische Verehrung.

Sie wurde als Kiebitz dargestellt, dessen Kum-Kumbe-Kum klingender Ruf die Arbaren an ein lockendes "Komm, Komm mit" erinnerte, mit dem die Veliu Muder die bald Sterbenden zu sich riefe.

In den Mooren gab es Orte, die als Heiligtümer der Veliu Muder galten. Sie waren wie arbarische Wald-Heiligtümer nur durch Pfähle mit Stofffetzen gekennzeichnet. Diese Heiligtümer wurden bis in die späte Klassik hinein als Grabstätten genutzt, an manchen Orten auch noch nach der Asiranisierung. Sie sind heute eine unschätzbare archäologische Fundgrube, da sich vielerorts die Leichname und ihre Beigaben sehr gut erhalten haben.

Als Heim der Veliu Muder galt das Nefelmal ("Nebelreich"), in das auch die Seelen der Verstorbenen einkehrten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Nefelmal seit frühesten Zeiten als Erklärung für die Milchstraße diente, deren moderner wissenschaftlicher Name Niphemale sich auch davon ableitet.

Die Veliu Muder, die durchaus milde und gnädig sein konnte, gestattete den Verstorbenen hin und wieder ihre noch lebenden Verwandten zu besuchen - in der Gestalt von Mäusen. Bis ins Mittelalter stellte man diesen "Ahnengeistern" kleine Schalen mit Speisen hin. Dieser Brauch wurde Peleblût ("Mäuseopfer") genannt; erst die großen Seuchenwellen des Spätmittelalters bereiteten diesem Brauchtum ein Ende.

Auch wenn die Asiranisierung das Peleblût trotz wiederholter Versuche lange Zeit nicht beenden konnte, verlor Erkisa selbst schnell ihren Rang als Göttin. Bis weit in die Renaissance hinein sahen in der Erkenrasbe ("Erkenweib") jedoch eine Verkörperung des Todes. Die Erkenrasbe wurde als in weite Kutten gehüllte alte Vettel vorgestellt, die im Nebel durchs Land wanderte.  Seit dem Spätmittelalter erzählen Schauergeschichten davon, wie die Erkenrasbe seuchentragende Ratten gebiert, die sie in Schwärme begleiten.

Karillus - Herr der Wölfe und Wilder Jäger

Karillus war der Antike Gott der Wildnis, inbesondere der wilden Tiere. Er galt als grausamer, erbarmungsloser Gott, der den Menschen in den einsamen Wäldern auflauerte. Jäger und andere, deren Weg in oder durch die Wildnis führte, brachten ihm daher vor dem Aufbruch ein Opfer dar, um ihn gnädig zu stimmen.

Er wurde als Wolf dargestellt, als deren Herr er galt. Die antike Bezeichnung des Wolfes war Dodewulfir ("Totenhund"), weil Karillus die Seelen der in der Wildnis verstorbenen für sich beanspruchte und sie zu Wölfen machte. Aus seinem Anspruch erwuchs der Brauch, die in der Wildnis verstorbenen an Ort und Stelle liegen zu lassen, denn sie zu bewegen oder gar zurück in die Siedlungen zu bringen, galt als sichere Methode den Gott zu verärgern. Wer dieses Tabu brach, den traf der Fluch des Gottes: Der Frevler wurde zu einem Kariller (sinngemäß "Werwolf"), der im Wahn die Mitglieder der eigenen Sippe umbrachte - darin liegt auch der Ursprung des modernen arbarischen Worten Kaller, das einen hinterhältige Mörder bezeichnet.

Die Asiranisierung rückte ihn in die Nähe des Altvorderen Bogora-Ma, bis er ganz mit diesem Scheusal verschmolz. In den mittelalterlichen Legenden lebte er zudem als Wilder Jäger fort, der besonders in den Nächten des dunklen Jahres durch die Wälder zog, um ahnungslose Reisende zu jagen und zu töten.

Mavunas - Vom Lockenden Eichelhäher zum Mondenkönig

Mavunas war der antike Gott der Reisenden, der Jugend, des Mondes und der positiven Veränderung. Er wurde meist als Eichelhäher oder Hirsch dargestellt.

Die antiken Lieder beschreiben ihn als den ewig jungen und schönen Gott, der von den anderen Göttern wie ein geliebter Sohn umhegt, aber auch seiner Schönheit wegen beneidet wurde. Das Mavunes Songu ("Mavunas Lied") berichtet von einer Reihe von Wettkämpfen zwischen Mavunas und Karnas, die zwischen schelmisch-amüsant und homoerotisch variieren.

In Gestalt des Eichelhähers lockte er mit seinem Ruf die jungen Männer aus ihren Dörfern und sang von fernen Ländern und Abenteuern - daher auch der bis in die Renaissance reichende Brauch eine Feder des Eichelhähers am Reisegewand zu tragen.

In der Gestalt des Mavunas emer Friskir ("Mavunas der ewige Jüngling") trat er als liebestoller Hirsch in Erscheinung und stellte eine  Art jugendlich-männlichen Fruchtbarkeitsgott dar, in dessen Namen zahlreiche Feste für die jungen Männer abgehalten wurden. Diese waren oft von einem sportlichen Kräftemessen begleitet und in ihrer ursprünglichen Form häufig spielerische Vorbereitung für Krieg und Jagd; enthielten bisweilen aber auch (homo)sexuelle Komponenten.

Für die antiken Arbaren war der Mond der Spiegel des Mavunas (Gad Mavunes), weshalb sein Name auch synonym zum Maho (dem antiken arbarischen Wort für "Mond") verwendet wurde. Der Mondgott Mavunas galt als Herr oder Verursacher der Jahreszeiten und viele Jahreszeitenfeste verehrten ihn in dieser Weise. Spätestens in der Klassik galt er aus seiner Funktion als Gott der positiven Veränderungen heraus auch als Gott des Glücks - Mavuna gibitid ("von Mavunas gestreichelt") war eine übliche Umschreibung für einen Glückspilz.

Infolge der Asiranisierung wurden viele Riten des emer Friskir-Kultes unter dem Gewand des Asiranas Axyresas (des "jugendlichen Asiranas") nahezu unverändert weitergeführt und auch viele Jahreszeitenfeste wurden unter dem Anstrich des Asiranismus weitergefeiert.

In der Mittelalterlichen Literatur lebte Mavunas als mythischer Mahinarax ("Mondenkönig") unter dem Namen Mahunas fort. Dieser Mahunas ist ein träumerisch-mystischer König, der in einem verzauberten Schloss "auf dem Mond" lebte; er gilt als Ursprung des "Märchenprinzen" der modernen Kindermärchen.

Die körperlich-sinnlichen Aspekte des Mavunas wurden durch die Asiranisierung in die Nähe des Altvorderen Thuakecho gerückt, weshalb dieser Name in der Klassik mehr und mehr verschwindet.

strediu Heljar - Vom Schlachtenheld zum Teufel

Als Strediu Heljar "Schlachtengott" werden die antiken Kriegs- und Stammesgötter bezeichnet, von denen ursprünglich jede Sippe ihren eigenen hatte. Im Zuge der antiken Stammesbildung verschmolzen diese Sippengötter zunehmend zu Stammesgöttern, die sich in ihrer Mythologie und Wesenheit auch immer mehr annähert. Diese Götter wurden hauptsächlich als Rotmilan dargestellt, aber die Gestalten von Dachs, Eber oder auch die eigentlich anderen Göttern vorbehaltenen Tiere Wolf und Bär weisen auf den ursprünglichen Charakter dieser Götter als Sippengottheit.

Der spätantike Stammesgott galt als Vorbild der Krieger, der Mut und Kraft in der Schlacht verleiht und Feigheit und Angst verachtet. Man glaubte, er kreise als Rotmilan über dem Schlachtfeld, um den Wert der Krieger zu beurteilen.

Die Namen der ursprünglichen Sippengottheiten sind längst in Vergessenheit geraten, wenn sie überhaupt gab - in den Quellen begegnen nur Umschreibungen wie Oteres Heljar ("Gott des Vaters") oder Lameres Reng ("Lamers Stärke").

Die Spätantiken Namen des Schlachtengottes waren:

  • Ardis bei den Nivernern
  • Berunas bei den Erivakern
  • Erus bei den Eraunen
  • Ilturis bei den Verdurgern
  • Nodis bei den Kadurgern
  • Kranus  bei den Kinomenern
  • Renus bei den Kundrosern
  • Saras  bei den Sarasern
  • Taris bei den Ribondern
  • Toradus bei den Everikern
  • Vossu bei den Letonern
  • Vud bei den Garragern

Während der Asiranisierung war der Kult des Schlachtengottes der erbittertste Widersacher der Missionare. Obwohl der Rotmilan noch lange Zeit als Zeichen des Krieges und der Krieger erhalten bleiben sollte und seit dem Mittelalter Bestandteil vieler Wappen wurde, wurde der Strediu Heljar in seinen verschiedenen Formen so dämonisiert, dass er als Herr aller Altvorderen galt und ein Heer von Djevulen ("bösen Geistern") anführte. In der mittelalterlichen Literatur ist er als finsterer König Vude der Widersacher des guten Königs Artius.

Ruck - Helfende Ratte, Warnender SChwan

Ruck war ein antiker Trickster-Gott, der Menschen wie Göttern Streiche spielte, aber gemeinhin als helfender Gott verehrt wurde. Er war vor allem ein Gott der Treller, später aber auch der Armen.

Von allen Göttern galt er als den Menschen am wohlgesonnensten und vom Wesen her freundlicher Gott. Wo die Späße des Karnas oft einen böswillige Humor zeigten, war Ruck ein Gott, der in den Liedern auch vor schelmischer Selbstkritik nicht zurückschreckt. Da er sich, dem Mythos nach, verbrannte, als er den Menschen das Feuer aus dem Herd der Elda Muder bringen wollte, wird er in den Quellen oft Prinser ("Der Verbrannte") genannt.

In seinem schelmischen Aspekt wird er meist als Ratte oder auch Maus dargestellt, was nahe legt, dass er ursprünglich wohl ein helfender Ahnengeist war.

Obwohl er viele Gestalten einnehmen konnte, war mit der des Schwans eine weitere wichtige Funktion des Gottes verknüpft: Die des Warners vor Gefahren und Helfer in der größten Not. Die weiße Schwanenfeder war in Antike und Klassik ein bedeutender Talisman, der in schwierigen Situation den Beistand des Gottes sichern sollte; der Schwanenfedertalisman gilt zudem als Ursprung der weißen Fahne.

Die Asiranisierung konnte die Beliebtheit des Gottes nicht mindern und er begegnet schon früh in der Volksreligion als Helfer und Freund des Asiranas, auch wenn er dabei seine Göttlichkeit einbüßte. Andere Aspekte des Gottes gingen einfach in der Gestalt des Asiranas selbst auf.

Seit dem Mittelalter begegnet Ruck als Geschenkebringer, der zum Fest der Armenspeisung (ursprünglich am Tag der Wintersonnenwende gefeiert, später auf den 1. Xychastion festgelegt) den Armen und Bedürftigen Gaben brachte. Noch während des Mittelalters, als das zunächst außerkirchliche Fest umgedeutet wurde und die 16 (17 oder 18) Tage des Xychastion zu kleineren Festtagen wurden, brachte Ruck an jedem Tag kleine Geschenke, um die Freude auf den Geburtstag des Asiranas am 1. Achorion zu mehren; dieser Brauch verbreite sich spätestens in der Renaissance in allen asiranistischen Ländern.

Turanas - Der Neugierige und der Eidwahrer

Turanas war ein antiker Gott, der als Kranich dargestellt wurde. Möglicherweise ist er bereits in der Antike der Überrest einer prähistorischen Personifizierung des Himmels oder eines lokal verehrten Himmelsgottes. Er wurde, soweit aus der Quellenlage ersichtlich, bereits in der Antike nicht mehr kultisch verehrt und ist nur in wenigen Liedern präsent; dennoch begegnet sein Name häufig als Teil von Schwurformeln. Turanas galt als Überwacher von Eiden und Verpflichtungen und soll Eidbrecher mit Blindheit geschlagen haben (Interessant ist in diesem Zusammenhang der Fund eines Blendeisens mit Kranichfiguren).

Die Neugier des Gottes, der als Kranich am Himmel kreiste und alles und jeden beobachtete, soll einem spätantiken Lied nach sogar die Götter selbst gestört haben: Die Götter bestanden darauf, dass Turanas jeden Herbst die Lande der Menschen verlassen musste und nicht vor dem Frühjahr zurückkehren durfte.

Obwohl er in der Zeit vor der Asiranisierung ein recht unbedeutender Gott gewesen war, wurde er von den Missionaren schnell mit dem Asiranasvater Adeos identifiziert, der bald den Kranich als Symboltier übernimmt. Bis ins Mittelalter hinein begegnet der Name Turanas jedoch noch in arbarischen Eiden, bisweilen in der Form des Turanas-Adeos. Danach verschwindet sein Name für Jahrhunderte, ist aber in der Zeit nach dem Großen Krieg von Sicherheitsfirmen und Versicherungen "wiederentdeckt" worden.

Murdinas - Vom Seelenräuber zum Comic-Held

Murdinas war ein antiker Trickster-Gott, der vornehmlich als Nachtigall oder Elster dargestellt wurde. Der Überlieferung nach raubte Murdinas in der Gestalt einer Elster Seelen, die eigentlich anderen Göttern zustanden. Er erpresste mit den gestohlenen Seelen die anderen Götter und verlangte die Kenntnis eines Gelstir ("Zauberliedes"), da er die Seele sonst dem Kjahullir zum Fraß vorwürfe.

In der Gestalt der Nachtigall zog er durch die Menschenwelt und die antiken Lieder erzählen, dass Murdinas demjenigen, der eine Nachtigall mit bloßen Händen finge, einen Wunsch erfüllen müsse.

Murdinas  galt zwar als Gott der Zauberei, wurde jedoch nicht kultisch verehrt. Die Asiranisten dämonisierten ihn und brachten die Vorstellungen von Murdinas mit jener des Altvorderen Sor-Tahot zusammen.

In der mittelalterlichen Literatur taucht Murdinas dann jedoch als weiser alter Zauberer und Ratgeber des Königs Artius wieder auf. Später entwickelt er sich unter dem Namen Murdin zu einem Schelm und Spaßmacher, der anfänglich noch mit, später ohne seine Zauberei allerlei Schabernack treibt. In der Moderne wird aus dem schelmischen Murdin zunächst eine beliebte Comic-Figur, die später auch Held diverser Zeichentrickfilme wird.

Surta - Nachahmerin und böse Stiefmutter

Surta war eine antike Göttin des Truges und der Täuschung, die sich als Lerche zeigte und sich als Kalma oder Erkisa ausgab, um die Menschen ins Unglück zu stürzen. Die antiken Lieder erzählen davon, wie Surtas Einflüsterungen Neid und Eitelkeit bei den Menschen hervorriefen - wovon auch das Wort lir ("Lerche") zeugt, das eine eitle oder eifersüchtige Frau bezeichnen konnte.

Die Asiranisierung dämonisierte die ohnehin bereits dämonische Göttin weiter, wodurch ihre Rolle als neidische Unglücksbringerin jedoch in der Volksreligion nur gefestigt wurde. Seit dem Mittelalter erscheint Surta dann auch als böse Stiefmutter in verschiedenen Märchen, wie auch dem berühmten Märchen von Niwone, der Königstochter die eine Haut so weiß wie Schnee (niwo) hatte. Nachdem Surta ihren verwitweten Vater geheiratet hatte, versuchte sie die bildschöne Prinzessin umzubringen, wurde jedoch nach mehreren erfolglosen Versuchen vom Prinzen Mahian in ein Schmiedefeuer gestoßen.

Kattir - Eifersüchtiger Ahnenfresser und intriganter Stiefelträger

In der Antike galt Kattir als eifersüchtiger Bruder der Erkisa. Nachdem die Götter Erkisa gegen den Willen des Kattir zur alleinigen Herrin des Totenreiches machte, streifte er als Katze durch die Menschenwelt, um die als Mäuse wiederkehrenden Ahnengeister zu fressen.

In der ersten Phase der Asiranisierung verschwinde die Erzählungen von Kattir aus den Quellen, jedoch begegnet er in dem spätmittelalterlichen Märchen von Breginkattir ("Stiefelkater") wieder. Nach dem Tod seines Horgers erbt ein junger Mann nur einen alten Kattir (in dieser Zeit bereits das Wort für eine alte Katze), da die älteren Schüler des Horgers alle wertvollen Erbstücke an sich reißen. Er will dem Kattir das Fell über die Ohren ziehen, um es zu verkaufen, doch der Kattir bettelt um sein Leben und verspricht dem jungen Mann große Reichtümer, wenn er ihm nur das Leben ließe und ihm ein Paar Stiefel kaufe, damit er sich unter den Menschen zeigen könne. Der junge Mann geht auf diese Bitte ein. Mit seinen Stiefeln zieht der Kattir aus und fängt eine Nachtigall, die er dem König des Landes im Namen seines Herrn schenkt. Später lässt Kattir den jungen Mann nackt in einem See baden, an dem der König zufällig vorbei kommt und als dieser Nackten bemerkt, erzählt Kattir dem König sein Herr sei beim Baden ausgeraubt worden. Der König kleidet den Nackten in seine Ersatzkleidung und lädt ihn zum Essen ein. Auf dem Weg lässt Kattir die Treller den jungen Mann wie einen Fürsten grüßen und dem König gegenüber behaupten, der junge Mann sei ihr Herr und alle Ländereien gehörten diesem. Dafür versprach Kattir sie von ihrem eigentlichen Herrn zu befreien, einem finsteren Zauberer namens Murdis (vermutlich auf Murdinas zurückgehend). Kattir sucht den Zauberer auf und bringt ihn durch einen Trick dazu, sich in eine Maus zu verwandeln, die er dann verschlingt. Dadurch wird sein junger Herr tatsächlich zum Fürsten; der König aber ist vom jungen Fürsten so angetan, dass er ihn zu seinem Erben macht und der anfänglich mittellose junge Mann später zum König wird.

Kjahullir - Das Monster aus der Tiefe

Kjahullir war in der Antike eine monströse, in der Tiefe lauernde, dämonische Gottheit, die als Verursacher allen Übels und finsterer Gegenspieler der Götter galt. Er wurde als Kraken dargestellt und als uneheimlicher Gebieter des Ozeans angesehen. Sowohl das stürmische Meer der Oberwelt als auch die kalten Wasser tief unter der Erde waren sein Reich. Die antiken Lieder schildern ihn als Erbfeind des Ertius, mit dem er sich erbitterte Kämpfe lieferte. Würmer und Schlangengalten als die Überbleibsel der in diesen Kämpfen abgeschlagenen Tentakelspitzen und wurden daher abergläubisch gemieden.

In den antiken Quellen wird auch geschildert, wie Kjahullir mit seinen Tentaklen die Menschen ins Meer oder auf den Grund von Seen zieht, um sie mit Leib und Seele zu fressen.

Die Asiranisten brachten ihn mit dem Altvorderen Bha'Thaza in Verbindung, sein Name begegnet noch im Mittelalter als finsterer Gegenspieler des Asiranas und allgemein als das personifizierte Böse.

Später wird Kjahullir im Märchen zu einem bösen König eines Unterseereiches, der siebzehn Töchter hatte, die alle den Oberkörper einer schönen, jungen Frau aber den Unterleib eines Kraken hatten und die Seefahrer in ein kaltes Grab hinab zogen.

Nivin oter - Der alte auf dem Gletscher

Nivin Oter  - Schneevater - war der antike Gott des Winters und galt als verstoßener Gemahl der Elder Muder. Die alten Lieder berichten, dass er sich mit ihr über den Tod des Dôdig Heljar zerstritt, weil er die Menschen für diese Tat auslöschen wollte. Die Elder Muder stieß ihn aus den Leuchtenden Hallen hinab auf die Toraja, wo er auf dem höchsten Gipfel der Welt im ewigen Eis des Gletschers ein neues Heim fand; dem Himmel nah und den Menschen fern. Er wurde auch Gemer ôm ledurimider Alte auf dem Gletscher - genannt und man sagte, dass er im dunklen Jahr die Winde seines Gletschers nach Süden treibe, um die Menschen im Eis zugrunde gehen zu lassen.

Die Asiranisten erkannten in ihm den Altvorderen Hosarth und verdüsterten das Bild des ohnehin gefürchteten Gottes noch weiter. Dem zum Trotz erscheint der Nivin Oter seit dem Mittelalter jedoch als grimmiger alter Schneevater in diversen Märchen wieder. Die Artius-Legende machte aus ihm Notter, den König eines mitternächtlichen Reiches im Norden.