Was ist der Sinn des Lebens? – Ehre die Götter durch Opfergaben und angemessenes Verhalten
Was erwartet mich nach dem Tod? – Entweder das Paradies oder Hölle, je nachdem ob ich alle Rituale ausführte und mich betragen habe.
Zu wem bete ich? – Im Alltag eher zu den Kleingöttern, aber ansonsten auch zu den Hochgöttern.
Wie stets mit der Magie? – Die Magie ist eine Ausformung des in mir vorhandenen Rusa.
Das Tentupan, dessen Anhänger als Tupas bezeichnet werden, gehört zu den größten Religionen der Toraja, obwohl es strenggenommen keine einzelne Religion ist, sondern vielmehr für eine Reihe von Religionen die in Motan, Bhurnat, Sakâl, Mahat, Bhayu, Kiskâl, Mâriyar, Talmuk und Dari verbreitet sind. Diese Religionen überlagern sich teilweise mit gemeinsamen Traditionen und beeinflussen sich seit Jahrhunderten gegenseitig, unterscheiden sich aber besonders in ihren heiligen Schriften, Glaubenslehren, Götterwelten und Ritualen.
Eine wichtige Gemeinsamkeit, die als verbindendes Element der einzelnen Religionen verstanden wird, ist die Vorstellung vom Bhadi, der universellen Lebenskraft, die alles belebte der Welt verbindet. Die Verbindung rührt daher, dass alle Lebewesen und natürlichen Elemente eine gemeinsame Abstammung haben.
Ein weiteres verbreitetes Element stellt das Rusa dar, eine besondere spirituell-magische Kraft, die in bestimmten Menschen, Gegenständen und Orten vorhanden ist und die daher eine besondere Behandlung erfordern, die vom Bhotom, dem sozial-spirituellen Rang einer Person, abhängt.
Eine der Hauptströmungen des Tentupan ist das Schalong-Tentupan, das eine stark auf die Schalongas (~Priester) zentrierte Religion ist und für den Rest der Welt quais „das Tentupan“ darstellt und das äußere Bild der Religion prägt. Das Schalong-Tentupan gründet sich auf den Thiki, einer Sammlung heiliger Schriften, die im Kisbhar verfasst sind, einer heute nur noch religiös gebrauchten Sprache, die ihren Ursprung im antiken Bhurnat hat.
Obwohl das Schalong-Tentupan, wie die meisten Strömungen, animistische Grundzüge trägt, kennt es eine Reihe von Majapenas, „Hochgöttern“: Bharnapena (der höchste Gott und Schöpfer des Universums), Aisna (der kämpferische Dämonenabwehrer und Erhalter der Welt), Majagena (die große Muttergöttin, die das Leben hervorbringt), Kheri (der Gott des Firmaments und Wissens), Sabhoti (dem Zerstörer und Erneuerer) und Sanal Rusim (einem schlemischen, aber den Menschen meist freundlich gegenüber auftretenden Gott). In den einzelnen Kultgemeinschaften bilden diese Hochgötter oft eine Familie, auch wenn ihre Rollenzuordnung variabel ist; außerdem sind ihnen Gefährtinnen und Gefährten beigestellt, die Vinapenas („Kleingötter“), deren Namen oft lokal geprägt sind und mit regionalen Besonderheiten zusammenhängen.
Das Schalong-Tentupan ist stark ritualisiert und kennt so nicht nur zahlreiche rituelle Feste, sondern feste Riten, die täglich ausgeführt werden müssen. Hierbei wird zwischen den Dumavhriti, den vom Familienoberhaupt oder Hausherrn durchgeführten „Hausriten“, und den Majavhriti, den von den Schalongas im Tempel ausgeführten „Hochriten“ unterschieden. Ziel der Riten ist es das Rusa der verehrten Götter zu mehren, damit diese das Universum bewahren können.
Die starke Ritualisierung führt dazu, dass das Schalong-Tentupan mehr aus Pflicht, denn aus wahrer religiöser Überzeugung begangen wird und selbst die Schalongas in der Regel noch einer weiteren, eher spirituellen Strömung angehören. Allerdings gilt es auch als staatstragend, da es die Herrschenden legitimiert, denen man ein besonders starkes Rusa zuschreibt. Die strikte Einteilung der Gesellschaft in Bhotomul entspringt so ebenfalls dieser Strömung.
Das Uninaschan-Tentupan als weitere bedeutende Strömung ist wiederum ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Volks- oder sogar Stammesreligionen. Es ist deutlich animistischer ausgeprägt als das Schalong-Tentupan, was sich in der Verehrung lokaler Landmarken oder heiliger Tiere äußert. In den meisten Ausprägungen dieser Strömung wird angenommen, das vergöttlichte Tiere, Helden, Naturkräfte und sogar Orte von Menschen Besitz ergreifen können. Das Ziel dieser Strömungen ist die Harmonie zwischen dem Menschen und seiner Umwelt, sodass Naturkatastrophen und Verderbnis als Zorn der göttlichen Umwelt verstanden werden, die mit bestimmten Festen und Riten beschwichtigt werden müssen. Bis vor hundert Jahren kam es im Rahmen dieser Strömung auch immer wieder zu Menschenopfern.
Das Khum-Tentupan stellt eine der bedeutenden spirituellen Strömungen des Tentupan dar. Es zeichnet sich durch die es praktizierenden, asketischen Khumbai aus, deren Ziel es ist durch meditative Praktiken ihr Rusa soweit zu steigern, dass sie die Identität mit Bharnapena und so mit dem höchsten Göttlichen erreichen. Die Khumbai versuchen ihren Körper durch Khum, die rituell-meditative Praxis, zu reinigen, wodurch sie letztlich nicht nur Einheit mit Bharnapena sondern auch Unsterblichkeit erreichen. Khumbai, denen man große Fortschritte oder sogar Erfolg auf diesem Weg zuschreibt, werden wie Götter verehrt.
Das Bhrid-Tentupan ist eine weitere spirituelle Strömung, die im Gegensatz zu den männlich dominierten anderen Strömungen Frauen vorbehalten ist. Die Bhridaias verehren die Muttergöttin Majagena und glauben, durch besondere Riten reine und vollkommene Kinder zur Welt zu bringen. Die spirituellen Riten dieser Strömung sind daher sehr auf Empfängnis und Geburt zentriert und das Rusa wird stark mit der weiblichen Fruchtbarkeit assoziiert.
Das Ghren-Tentupan ist eine stark auf die Harmonie mit der Umwelt fokussierte Strömung. Der Mensch wird als Teil eines großen, natürlichen Ganzen verstanden und kann der Glaubensvorstellung nach seine Vollkommenheit durch die wahre Erkenntnis der urkräftigen Umwelt erkennen. In der Moderne beeinflusst diese Strömung Umweltschützer weltweit, auch wenn diese oft den spirituellen Teil vernachlässigen.
Die folgenden Zitate stehen beispielhaft für die spirituellen Ansichten des Ghren:
"Als ich am Morgen erwachte, erblickte ich fliegende Schwärme und wandernde Herden, lauschte dem Lied des Wassers sich in den Chorgesang des Morgens ergießen und weinte, weil ich die schönste Vollkommenheit all dessen erkannte."
"Wenn es dir möglich ist, leg deine Hand auf den Rücken eines vorbeischwimmenden Wals: Was du fühlst, lehrt dich die Unbedeutenheit deines menschlichen selbst"
"Es ist unausweichlich, dass du ein Teil der Welt wirst und weil du nicht Teil von etwas sein kannst, ohne darin verstrickt zu sein, umarme deine Verwicklung und schreite voran, sie anzunehmen."
"Mit jeder Nahrung, die du zu dir nimmst, fließt das Bhadi der Welt durch dich und bereichert dich und wenn wir vergehen, nimmt die Welt uns auf und wir bereichern ihr Bhadi."
"Die Welt ist ein Mantel, den wir um uns und in uns tragen in ewiger Dankbarkeit gegenüber dem Schöpfer aller Dinge."
"Ghama träumte, er sei Wurm, und als er aus seinem Traum erwachte, erkannte er, dass er genauso ein Teil der Welt war, wie der Wurm."
Das Siphra-Tentupan ist eine weitere spirituelle Strömung und gründet auf der Vorstellung, dass das Relative und das Absolute aufgrund der gemeinsamen Abstammung allen Lebens untrennbar miteinander Verbunden sind. Das Ziel des Siphra („Erkennens“) ist daher das Erkennen der höchsten Wirklichkeit. Dieses Siphra-Majanali soll durch die Ekstase des Höhepunkts beim Geschlechtsverkehr erreichbar sein, weshalb die rituellen Praktiken des Siphra-Tentupan, die Kokhas, um den Beischlaf kursieren. Obwohl Bharnapena als Verkörperung des aktiven Prinzips und Majagena als Verkörperung des passiven Prinzips verstanden werden, lehrt das Siphra-Tentupan weder eine Unterordnung der Frau unter den Mann noch rein hetereosexuellen Beischlaf – auch wenn die eine oder andere Auslegung, gerade in den eher oberflächlichen, modernen „Sekten“ in anderen Ländern dies so deuten will – sondern sieht diese nur als Sinnbilder einer kosmischen Wechselwirkung, die anteilig in jedem und allen steckt.
Den allgemeinen Vorstellungen im Tentupan nach, wartet nach dem Tod ein paradiesischer Ort der Belohnung, Ghajamaja, oder ein höllischer Ort der Strafe, Ortha, auf die Verstorbenen. An welchen Ort ein Verstorbener gelangt ist von seiner persönlichen Lebensführung abhängig, aber gerade im Schalong-Tentupan auch von der Einhaltung der persönlichen Hausriten und der Teilnahme an priesterlichen Hochriten abhängig.
Davon abweichend gibt es Vorstellungen, die das Erreichen Ghajamajas vom Rusa einer Person abhängig machen, weshalb gerade Personen mit geringem Bhotom keine Aussicht auf ein schönes Nachleben haben.
Eine eher esoterische Vorstellung ist die des Machom, der Wiedergeburt der menschlichen Seelen, Sama, je nach Lebensführung in einer Gestalt mit mehr oder weniger Rusa, wobei das höchste Ziel die Pemachom ist, die Wiedergeburt als Gott. Diese göttliche Wiedergeburt stellt den Endpunkt des zuvor anhaltenden Kreislaufs aus Leben, Tod und Wiedergeburt dar. Aufgrund der Hoffnung, die diese Lehre für die Bhotomas mit niedrigem Rusa darstellt, findet sie in den letzten Jahrhunderten aufgrund der zunehmenden Verstädterung und damit eingehenden Verelendung immer mehr Zulauf und beginnt zunehmend die Vorstellungen von Ghajamaja und Ortha zu verdrängen.
Magie gilt im Tentupan als Ausdrucksform des persönlichen Rusa, weshalb die Fähigkeit im Umgang mit Zaubern Rückschlüsse darauf zulässt. Die esoterische Strömung des Vischar-Tentupan vertritt sogar die Ansicht, dass eine Person durch das Studium der Magie ihr Rusa mehren könne. Die mit der Magie verbundene Verderbnis, wird im allgemeinen aber besonders im Vischar-Tentupan als ausgleichende Kraft des Universums verstanden, als das „Anti-Rusa“.
Diese Vorstellung ist mit dem „Mâd-Vâb-Prinzip“ verbunden, demnach die Welt der Menschen von den Göttern erschaffen und ein Bereich der göttlichen Ordnung und regelhaften Kräfte darstellt, Mâd, während das den geschaffenen Kosmos umgebene Anderdunkel, Vâb, die Sphäre des urtümlichen Chaos und der erratischen, willkürlichen Kräfte darstellt. Die Götter sind bestrebt darin, die Mâd aufrecht zu erhalten, denn nur so können Menschen und Götter existieren, doch ohne die Kräfte des Vâb drohte die Welt in ihrer Ordnung zu erstarren; so sorge das Vâb für Veränderung. Das Vischar-Tentupan nimmt an, dass das Bhadi aus dem Wechselspiel von Mâd und Vâb entsteht und nicht ohne das eine existieren könne.
Diese und ähnliche Lehren führen dazu, dass im Bereich des Tentupan verderbte Menschen und Lebewesen deutlich länger toleriert wurden, weil man in ihnen einfach nur Wesen sah, die Sanjani („aus dem Gleichgewicht“) geraten waren.