Aus einem Referat im juristischen Seminar von Pellas, gehalten von Euas Numon am 23.06.1978
Wahrheitszauber sind seit der Antike bekannt und ihre Erwähnung bereits in frühesten Rechtswerken belegt, dass sie auch eingesetzt wurden. Während in der Antike ihr Verbot vor allem mit der generellen Unglaubwürdigkeit von Zauberern begründet wurde, finden wir in den Gesetzeswerken der Klassik, dass sie, wenn sie durch spezielle Magier erfolgten, im Rechtsprozess erlaubt und bei bestimmten, schweren Straftaten sogar vorgeschrieben waren.
Seit dem Mittelalter sind Wahrheitszauber jedoch weitgehend verboten. Die asiranistisch geprägten Reiche begründeten dies, mit der Verderbtheit der Magie, deren dämonische Bestandteile die Wahrheit trüben und das Opfer des Zaubers zur Lüge zwingen könnten; die Reiche, die sich der Dscha‘ila verschrieben, sahen die Wahrheitszauber als Eingriff in die persönliche Freiheit und als Verletzung der Menschenwürde.
Diese mittelalterlichen Mentalitäten prägen den Umgang mit Wahrheitszaubern bis heute, sodass ihre Anwendung heute in den meisten Ländern dieser Welt unter Strafe steht.
Interessanterweise gibt es aber gar keine Wahrheitszauber, jedenfalls nicht im populären Sinne!
Die Mysnaumardea (Wissenschaft von der geistbeeinflussenden Magie) wird zwar seit Generationen aufgrund religiöser Verbote oder menschlicher Angst in ihrer Forschung behindert, konnte aber stichhaltig nachweisen, dass es keinen einzelnen Zauber gibt, der einen Menschen zwingen kann die „Wahrheit“ zu sagen (vgl. Vyrpei:1968). Die Begründung dafür ist, vereinfacht ausgedrückt, dass es so etwas wie die „Wahrheit“ nicht gibt. Trotz theologischen Widerspruchs zeigt die Mysnaumardea, dass es keine objektive Wahrheit gibt, sondern nur subjektive Wahrheiten. Die Wahrnehmung eines Menschen wird in seinem Geist zu Erinnerungen und die Forschung zeigt, dass diese Erinnerungen äußert leicht veränderbar sind. Euryke erklärt dies so: „Stellen Sie sich vor, der menschliche Verstand sei ein Gefäß in das wir Wahrgenommenes in Form von Wasser einfüllen. Wenn ich ein Erlebnis in Form eines Bechers Wasser in das Gefäß fülle, ist es in der Erinnerung eines Menschen angekommen. Doch wenn ich nun ein weiteres Erlebnis hinzugebe, vermischt sich das Wasser aus beiden Bechern im Gefäß und gleichermaßen beeinflussen sich die Erinnerungen. Nun stellen sie sich vor, ein Fremder kommt mit einem Becher und schöpft aus dem Gefäß, was erhält er? Eine Mischung verschiedener Erinnerungen. Genau das geschieht aber, wenn ein Zauberer versucht die Gedanken eines Menschen zu lesen. Er erhält keine klare, abgeschottete Erinnerung an ein Ereignis, sondern ein Gemisch aus Erinnerungen und Wahrnehmungen. Was sie erhalten ist eine Geschichte, kein Fakt.“ (Euryke: 1973)
Die Mysnaumardea besitzt also zwar die Mittel, Erinnerungen eines Menschen zu lesen, jedoch nicht wie in einem Tagebuch. Da derzeit keine Möglichkeit existiert, einzelne konkrete Erinnerungen zweifelsfrei zu isolieren, kann die Magie gar keine „Wahrheit“ hervorbringen.
Anders sieht es mit den Gedankenpalästen aus, die vermittels Magie, Wahrnehmungen im Gedächtnis so ablegen, dass sie exakt bleiben (Euryke vergleicht sie mit Eiswürfeln). Doch in den meisten Fällen fertigen Straftäter keine solchen an, wenn sie ihre Taten begehen.
Ein gesetzliches Verbot von Wahrheitszaubern ist also nichts als überkommener Aberglaube; obwohl die Frage, was die Mysnaumardea darf und was nicht, durchaus berechtigt ist.